Es ist eine Heimkehr für mich, ein Wiedersehen mit alten Freunden, meiner “chilenischen Familie”, eine Aufarbeitung und Urlaub in Balkonien auf meine Weise: zwei Wochen im März.
Wieder in Santiago zu landen (nach einem langen Flug mit Umsteigen in São Paulo) und von Lorena abgeholt zu werden, ließ mich zu Hause ankommen. In Las Condes hatte sich nicht viel verändert, der Esstisch und das Sofa hatten ihren Platz getauscht und ein Zimmer stand leer, bereit von mir für Sofia Victoria in Rosa gestrichen zu werden. Ich sah Ruth, Gloria und Lorna wieder, wir gingen ins Kino und aßen Sushi (Lorena aus Angst vor gesundheitlichen Folgen in der Schwangerschaft nicht, sie guckte neidisch auf meinen Teller).
In Viña del Mar spazierten wir am Casino, am Strand und die Straßen entlang, in Valparaíso fuhr Ruth zum ersten Mal in ihrem Leben einen der berühmten Aufzüge (Ascensores de Valparaíso) der Stadt, die 2003 zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Ich war der Touristenführer für zwei Chileninnen, schon witzig. Im Haus Lukas auf dem Cerro Concepción tranken wir mit einem hell- und dunkelblauen Blick auf den Hafen einen Kaffee.
Eva und Eva freuten sich über meine Ankunft im “Casa del Sol” auf dem Cerro Toro und schrieben als erste in mein Reversed Guestbook / Umgekehrtes Gastbuch / Libro de Visitas al Revés. Mit dem Bus fuhr ich an den Gebäuden vorbei, in denen ich Informatik und Gesang studierte, in denen ich feierte und in denen ich einkaufte. Ein Sammeltaxi brachte mich auf den Cerro Esperanza, auf dem mittlerweile Rocío wohnt, meine Spanischlehrerin und allererste Gastgeberin 2003, damals noch in Reñaca. Ihren Ehemann lernte sie als Nachbar des selben Hauses in San Enrique auf dem Cerro Alegre kennen, zwei, drei Häuser von meiner damaligen Wohnung entfernt.
Zurück in Santiago besuchte ich abends Rocío, die Schwester von Jorge, in Polanco/Bellavista, mittlerweile mit dem Mendocino Marco verheiratet, in ihrem neuen Apartment. Sie arbeitet weiterhin für Film und Kino und erzählt mir vom Wohnungskauf, der Hochzeit auf der Dachterrasse und TranSantiago, den grünen Bussen, die den öffentlichen Personennahverkehr verbessern sollen.
LAN Chile bringt mich in zwei Stunden ca. 2.000 Kilometer weiter in den Norden nach Iquique, die Stadt, von der ich bei meinem letzten Aufenthalt Anfang 2004 bis auf das öffentliche Krankenhaus nicht viel mitbekommen habe. Ich rufe Romy an, die Cousine von Rocío, um mich bei ihr für ihre Hilfe damals zu bedanken. Leider hat sie keine Zeit für ein Treffen, freue sich aber über meinen Anruf. So bleibt mir mehr Zeit für Jorge, der gerade von einer Zwischenlösung bei einem Arbeitskollegen in ein schönes, kleines aber feines und möbliertes Drei-Zimmer-Apartment umzieht. Fünf Minuten vom Strand, Supermarkt, Tankstelle, Mall, Kino und Bank entfernt, wohnt er nun gemeinsam mit seiner Freundin Erika im dritten Stock mit Meerblick.
Wir gehen am Strand spazieren, reden über die guten, alten Zeiten in Santiago, das Glück am Meer ohne Smog mit wenig Verkehr zu wohnen. Jorges Pläne werden ihn im nächsten Jahr hoffentlich nach Venezuela und Europa mit ihren verschiedenen Sozialsystemen führen. Er sollte sich vielleicht einmal mit Manuel kurzschließen. Momentan arbeitet er im Gefängnis als Sozialassistent, seine Freundin arbeitet dort als Psychologin.
Sushi, das ewig dauert, Pichanga, die aus Rindfleisch, Wurst, Zwiebeln und Pommes besteht (etwa wie die Chorrillana in Valpo, Iquique ist auch eine Stadt mit vielen Hafenarbeitern), Pizza mit einem mittelmäßigen Teig, Completo mit Mais und Avocado, Churros, Marmelade und Käse füllen unsere Mägen, während sich unsere Köpfe mit den Gedanken des Anderen füllen. Wir laufen über die Märkte von Iquique, inklusive der zollfreien Zone von Iquique Zofri, laufen durch das alte Zentrum, an luftigen Holzhäusern vorbei und durch die Neubauten am Meer in Cavancha.
Zurück in Santiago fahre ich mit den Öffentlichen nach Las Condes. Ausnahmsweise stehe ich einmal morgens um sechs auf, mich in das Leben eines durchschnittlichen Angestellten hineinversetzend und komme pünktlich zum Arbeitsbeginn um 07:45 Uhr an der Deutschen Botschaft an. Dort treffe ich meine alten chilenischen Kollegen Paulina, Ingrid und Victoria, mittags essen wir gemeinsam und nach der (ihrer) Arbeit gehen wir ein Bier trinken. Die deutschen Mitarbeiter sind schon alle Weg, das Reiseunternehmen Auswärtiges Amt hat sie nach drei Jahren bereits auf ihren nächsten Posten geschickt (zum Beispiel den Wirtschaftsreferenten nach San Francisco).
Am letzten Tag werde ich herzlich verabschiedet und zum Flughafen gebracht, vollgepackt mit Geschenken für meinen, noch ungeborenen, Neffen Alexander, meine Mutter Sigrid und auch zwei für mich. Das größte Geschenk haben mir all diese Menschen, die ich treffen konnte, jedoch mit ihrer Anwesenheit und Liebenswürdigkeit gemacht. Danke.
Reden, Zuhören, auf Sand, Wiesen und Betten Rumliegen, Schlafen, Spazieren, Essen und Kaffee trinken waren meine Hauptbeschäftigungen. Nichts Spektakuläres, spektakulär erscheint mir nur, dass man drei Jahre nicht an einem Ort gewesen sein kann und sich im Prinzip nichts geändert hat: “La esencia de las personas no cambia”.