Stell’ Dir vor, es ist Nacht. Mitten in der wüstenartigen Steppe um den 30. Breitengrad, die nur von sich dauersonnenden kleinen Reptilien bewohnt wird, stechen tagsüber die Sonne und die Mücken jeden, der sich hier länger als fünf Minuten außerhalb eines mit Klimaanlage ausgestatteten Fahrzeuges befindet. Aber es ist Nacht und kalt. Ein mehrere hundert Kilometer breites Niemandsland zwischen den USA und Mexiko. Kein Licht. Plötzlich strahlt ein Scheinwerfer in das dunkelfarbige Gesicht eines jungen Mannes. Er ist ganz in Schwarz gekleidet und hat einen Rucksack auf.
Der Mann von der Grenzpolizei auf der Ladefläche hält eine Maschinenpistole in der rechten Hand und bedient den 2000-Watt-Scheinwerfer mit der linken. Zwar auch in Schwarz hat er jedoch weiße, reflektierende Streifen und ein goldenes Abzeichen auf seine Kleidung. Rucksack braucht er keinen. “Levanta las manos. Tu viaje terminó exactamente aqui”, (Hände hoch. Deine Reise endet genau hier) ruft er von seinem Podest aus. Der Rucksackreisende lächelt und antwortet in perfektem Amerikanisch: “Excuse me, Sir. Could you repeat that in English, please? I do not understand Spanish.” (Tschuldige mal, noch mal von vorne, ich versteh doch kein Spanisch). “What, how come you speak English? What are you doing out here?” (Was? Englisch? Warum?) “That’s probably because I am a United States citizen. And now leave me alone. I am trying to immigrate illegally to Mexico.” (Ich bin Ami, störe meine Kreise nicht, ich versuche hier, eine Grenze zu überqueren.)
Die den Mexikanern nahe gelegte Anklage wegen des Versuchs der illegalen Einwanderung und die Strafe wegen illegalen Betretens von staatlich gesichertem Grenzgebiet wurden fallen gelassen. Der Mann mit dem Rucksack wurde stattdessen in eine Nervenheilanstalt eingewiesen.
Diese Geschichte wurde inspiriert von der Tatsache, dass man ohne jede Ausweiskontrolle von USA nach Mexiko gehen kann, in die andere Richtung jedoch jeder einzelne in den kilometerlangen Menschenschlangen genauestens befragt und kontrolliert wird.